Wer Beispiele für Modularisierung und Standardisierung sucht, findet gewöhnlich solche aus der Massenproduktion, etwa aus dem Automobilbau. Schnell entsteht so der Eindruck, Modularisierung gäbe es bei kleineren Losgrößen – bis hin zur Losgröße 1 – kaum oder sei gar unmöglich. Stimmt das? Ich meine: nein!
Modularisierung ist zunächst einmal der Versuch, eine Antwort auf die ständig steigende Komplexität zu finden. Wo kommt sie her? Was treibt sie? Nun, da ist zunächst der (verständliche) Wunsch des Vertriebs, sich vom Wettbewerb zu differenzieren. Das geht zunächst mit einer möglichst einzigartigen und umfassenden Produktarchitektur, mit der möglichst viele potentielle Kundenwünsche abgedeckt werden können. Dies führt zu geringeren Stückzahlen und steigert natürlich die Komplexität – ohne dass der Marktanteil signifikant wächst. Die Folgen: höhere Kosten, die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber artverwandten Lösungen sinkt. In stagnierenden Märkten reagieren die Unternehmen mit weiteren Produktanpassungen an kundenspezifische Wünsche, um Nischenmärkte besetzen zu können. Und erhöhen damit die Komplexität weiter. Diesen Teufelskreis gilt es zu durchbrechen.
Mär von der Kundenspezifik
Um positive Skaleneffekte erzielen zu können, ist die Modularisierung der Weg zwischen dem Standard einerseits und dem „One-Piece-Concept“ andererseits. Auf dem Weg zu einer modularen Produktarchitektur, kann man einen nützlichen Prinzip folgen: dem Cato-Prinzip. Es geht davon aus, dass heute die wenigsten Dinge wirklich kundenspezifisch sind. Nur wenige Dinge werden wirklich mit der Stückzahl 1 hergestellt. Zerlegt man diese angeblichen „Sonderprodukte“, so bestehen auch diese aus ganz „normalen“ Einzelteilen (beispielsweise Motoren, Schraubverbindungen, Rohrleitungen, Flanschen). Die meisten Baugruppen bestehen aus Untergruppen und diese wiederum aus Teilen, die dann doch einer bestimmten Norm, einem Standard (DIN etc.) entsprechen.
Basismaschine plus Optionen
Um der Komplexität zu Leibe zu rücken, besteht die Kunst darin, das Gesamtkonstrukt in geeignete Untergruppen zu zerlegen, die komplementär verwendet werden können. Hierzu trennt man die Gesamtheit in einen Torso – eine Maschine in einem vorläufigen, noch nicht funktionsfähigen Stadium – und verschiedene Optionen, mit vorab definierten Schnittstellen. Mit diesen Optionen wird die Basismaschine an die gewünschten Kundenspezifikationen angepasst. Dabei ist es durchaus möglich, dass eine Option durch kundenspezifische Anforderungen komplett verändert wird. Wichtig ist: Der Grundbaukasten darf durch diese Kundenwünsche nicht beeinträchtigt werden.
Und noch etwas gilt es bei der Definition der Unterbaugruppen zu beachten: Sind sie „zu klein“, wird das Puzzle zu unübersichtlich und man gerät schnell erneut in die Falle der kundenspezifischen Anpassungen (customisation); sind die Untergruppen dagegen „zu groß“ geschnitten, ist der Konflikt mit individuellen Kundenanforderungen, die dann kaum noch abgedeckt werden können, vorprogrammiert.
Der größte Feind der hier beschriebenen Modularisierung ist aus dem bereits genannten Grund (Differenzierung vom Wettbewerb und daher maximale Diversifikation der Produktpalette) der eigene Vertrieb. Unternehmen tun daher gut daran, ihn von Anfang an in den Veränderungsprozess einzubinden.
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