Wird der Begriff „Supply-Chain-Management“ in Diskussionen verwendet, so erntet man zunächst einige fragende Blicke. Während die einen an die gesamte Supply Chain denken – vom Einkauf über die eigentliche Wertschöpfung bis hin zum Versand –, schränken einige dies bereits auf den reinen Unterlieferanten ein. Und schon ist man bei Rohstoffpreisen und weiteren Themen angelangt.
Dabei geht es um mehr. Verbindet man diesen Begriff mit Partnerschaft und Key-Account-Management, fürchtet der Vertrieb bereits die Einschränkung seiner Flexibilität bis hin zu unannehmbaren „Terms & Conditions“ im Vertragswerk.
Das „Bier-Spiel“ bringt es an den Tag
Niemand denkt dabei an das „Beer Game“, ein in den frühen 1960er Jahren an der MIT Sloan School of Management entwickeltes Rollenspiel, das einige Grundprinzipien des Supply-Chain-Managements demonstriert. Anfang des Jahrtausends konnte ich bei INSEAD in Fontainebleau, einer der führenden MBA-Schulen (zumindest in Europa), im Rahmen meiner Weiterbildung an diesem Spiel teilnehmen und meine bisherigen Erfahrungen vertiefen.
Bei diesem Spiel geht es im vereinfachten Fall darum, dass vier Marktteilnehmer (Einzelhandel, Zwischenhandel, Großhandel, Brauerei) jeweils über eine Lieferkette zusammenhängen. Die Spieler kennen zwar untereinander den Warenbestand der anderen, aber nur ein Spieler kennt den tatsächlichen Kundenbedarf. Die Kommunikation ist eingeschränkt: Die Spieler dürfen sich nur über Bestellmengen austauschen. In unserem Rollenspiel durfte jeder Markteilnehmer pro Runde seine Einkaufsmengen/Produktionsmengen frei bestimmen. Wegen des erforderlichen Transports wurde eine Verzögerung von einer Runde zum vor- bzw. nachgelagerten Marktteilnehmer eingebaut. Der Anfangsbedarf des Endkunden wurde zeitgleich mit den Planungen der Einzelspieler veröffentlicht; für die ersten beiden Runden wurde er auf vier Kisten Bier festgelegt. Danach stieg die Nachfrage des Endverbrauchers auf jeweils acht Einheiten für die verbleibenden 50 Runden an.
Unsere Erkenntnis in Fontainebleau: Trotz dieser einmaligen Änderung schwankt die Nachfrage auf den einzelnen Handelsstufen erheblich. Die Ergebnisse waren in allen Gruppen verheerend: von „Out of Stock“ über 50 Prozent der Zeit bis hin zu Working Capital in exorbitanten Höhen.
Was war passiert? Lassen Sie mich eine Frage an Sie richten: Haben Sie eventuell das Wort „durfte“ überlesen. So ist es auch meiner Gruppe und mir damals ergangen.
Management: Reden ist Gold
Das Wort Supply-Chain-Management beinhaltet das Wort Management. Und dazu gehört als ganz wesentlicher Bestandteil: Kommunikation. In Zeiten, in denen es zwar immer leichter wird, Informationen zu erhalten, die Filterung derselben sich aber als immer
schwieriger erweist, ist ein Austausch von Gleichgesinnten bereits ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Mit Blick auf das Erfordernis ständiger Innovationen und deren zügiger Umsetzung schrumpft das Fachwissen, das der einzelne über die gesamte Wertschöpfungskette haben kann, ohnehin. Wie das „Beer Game“ zeigt, ist selbst in einer überschaubaren Lieferkette „verloren“, wer auf sich allein gestellt ist (oder es bewusst allein versuchen will).
Wie so oft liegt der Schlüssel in der Kommunikation untereinander. Wenn es also in einer Lieferkette darum geht, die Kosten der Gesamtkette möglichst gering zu halten (was im Interesse aller Beteiligten ist), dann kann ich nur raten: Einfach mal miteinander reden! Das ist vielleicht schon das ganze „Geheimnis“ des Supply-Chain-Managements.
Wann haben Sie das letzte Mal mit Ihrem Lieferanten über seine letzten Entwicklungen, Ideen, strategischen Ausrichtungen gesprochen?