Gastbeitrag von Olaf Neumann
Wie wählen Entscheider von Unternehmen in einem Hochlohnland wie Deutschland aus unzähligen Einfällen, Vorschlägen und Ideen diejenigen aus, mit denen nachhaltig Gewinne realisierbar sind? Neben der Identifikation der werthaltigen Innovationsideen ist die Entscheidung darüber notwendig, welche Innovationsideen im Unternehmen in die Tat umgesetzt werden. Die Beteiligten befinden sich dabei in der Regel in einer komplexen und unsicheren Konstellation. Die unternehmerische Praxis begegnet dieser Herausforderung durch die Auswahl von Werkzeugen und Methoden sowie nicht zuletzt mit der persönlichen Erfahrung und Expertise der unternehmensinternen und -externen Ideenbewerter. Eine objektive und faktenbasierte Ideenbewertung als Entscheidungsgrundlage ist jedoch trotz aller Bemühungen nur bedingt realisierbar (vgl. dazu auch: Die Bewertung von Innovationsideen. Eine empirische Analyse von Bewertungsdimensionen und sozialen Einflussfaktoren; Dissertation an der RWTH Aachen 2012).
15 Kompetenzen erforderlich
Letztendlich spielen die handelnden Personen und deren Fähigkeiten die Schlüsselrolle, um die richtige Balance zwischen Flop-Risiko und Wachstumschance zu halten. Dies untermauert auch die im Jahre 2011 an der Universität Kassel publizierte Dissertation „Selektion von Innovationsideen. Eine empirische Untersuchung zu erforderlichen Kompetenzen und Möglichkeiten der Aktivierung”. Diese Arbeit betrachtet die unternehmerischen Entscheidungsprozesse und das dazu erforderliche Kompetenzportfolio mittels einer qualitativen empirischen Fallstudie im F&E-Bereich eines deutschen Automobilherstellers. Obwohl die dabei gewonnenen Erkenntnisse auf einer singulären Fallstudie mit einer begrenzten Fallzahl beruhen, erscheinen die Feststellungen und Empfehlungen für die Praxis des Innovations- und Personalmanagements bedeutsam.
So wurde ein Kompetenzportfolio für Entscheider von Innovationsideen ermittelt, das in dieser Form auch für andere Branchen und F&E-Bereiche relevant sein dürfte. Die 15 erforderlichen Kompetenzen sind: Risikobereitschaft, unternehmerisches Denken und Handeln, betriebswirtschaftliche Kompetenz, Bewertungskompetenz, Systemverständnis, technische Kompetenz, Kreativität, visionäre Kompetenz, Marktkompetenz, Prozesskompetenz, Kommunikations- und Marketingkompetenz, Netzwerkkompetenz, Nachhaltigkeit und Durchsetzungsvermögen, integrative Kompetenz sowie Konfliktlösungskompetenz. Auch wenn in Unternehmen einige der genannten Kompetenzen bereits etabliert sind oder systematisch ausgebaut werden, wird der hohe Anspruch an die Fähigkeiten der Entscheider wie auch an die Unternehmensorganisation deutlich.

Auch wenn einer vorangeht: Innovation ist Teamarbeit und braucht die Vernetzung vieler Kompetenzen (By Cactus26 (Own work) [CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons)
Risikobereitschaft und Entscheidungsfreude gefragt
Die so idealisierten Entscheiderpersönlichkeiten sind in der Realität selten anzutreffen. Der Begriff des Universalgenies soll an dieser Stelle nicht strapaziert werden; vielmehr ist die Stärke, interdisziplinäre Teams zu führen, ein wesentlicher Schlüssel, um das genannte Kompetenzportfolio im Unternehmen in vollem Umfang wirksam werden zu lassen. Die Persönlichkeit des CEO spielt in diesem Zusammenhang sicherlich eine wesentliche Rolle. Dies zeigt auch der im Administrative Science Quarterly (ASQ, Juni 2013) veröffentlichte Artikel „CEO Narcissism, Audience Engagement, and Organizational Adoption of Technological Discontinuities“. Die Autoren untersuchen in ihrer longitudinal angelegten Studie einen bisher nur unzureichend erforschten Einflussfaktor für die Anpassung etablierter Unternehmen an diskontinuierlichen Wandel: die Persönlichkeit des CEOs – und insbesondere CEO-Narzissmus. Am Beispiel der Reaktion traditioneller Pharmaunternehmen auf die Biotechnologie zwischen 1980 und 2008 stellen sie fest: Die Wahrscheinlichkeit, dass Unternehmen in diskontinuierliche Technologien investieren, ist umso höher, je narzisstischer (also sich selbst liebender) der jeweilige CEO ist.
Eine Erfolgsgarantie für bahnbrechende Innovationen durch Rekrutierung narzisstischer Führungskräfte und Entscheider wollen wir jedoch an dieser Stelle nicht unterstellen. Deutlich wird jedoch, dass neben einer systematischen Bewertungsmethodik und einem umfassenden Kompetenzportfolio Risikobereitschaft und Entscheidungsfreude gefragt sind.
Olaf Neumann (Jahrgang 1964) ist Senior Manager im Bereich „Neue Technologien/Projekte“ der RWE Deutschland AG. Nach seinem Studium mit Abschluss Diplom-Wirtschaftsingenieur an der Universität Karlsruhe war er als Produktionscontroller in der Unternehmensgruppe Freudenberg und später als Vertriebscontroller bei der Toshiba Europe GmbH tätig. Neumann wechselte nach sechs Jahren aus der Linienfunktion in die Consulting-Branche. Hier war er u.a. für PricewaterhouseCoopers, Deloitte Consulting sowie im Inhouse-Consulting des Energiekonzerns RWE als Projektleiter tätig. Nach etwa 14 Jahren Beratung übernahm er F&E- und Innovationsaufgaben in der RWE Deutschland AG.
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