Wie kommt das Neue in die Unternehmen? – Innovationsprojekte richtig managen

[English Version]

Veränderungsprojekte haben es in Unternehmen mitunter schwer, insbesondere dann, wenn sie geeignet sind, Grundsätzliches in Frage zu stellen. In einer Fallstudie hat die Zeitschrift Harvard Business Manager dieses Problem aufgegriffen. Im Kern geht es in der Fallstudie darum, wie man in Unternehmen Neues wirkungsvoll entwickelt und implementiert; es geht um das Management von Innovation und Veränderung.

Die Gretchenfrage: Innovationsprojekt auslagern oder nicht?

Im Folgenden die Kurzfassung der Fallstudie:

Innovationsprojekte

Innovationsprojekte: Inhouse entwickeln oder auslagern?

Der mittelständische Computerzubehörhersteller Subito ist zwar in einer einigermaßen stabilen Verfassung, braucht aber – um auf den Märkten der Zukunft bestehen zu können – neue innovative Produkte. Seit ein paar Monaten arbeitet ein Projektteam unter Führung der Marketingleiterin und des Leiters der Softwareentwicklung an solch einem neuen Produkt. Bei „Tweety“ handelt es sich um eine Applikation zur Spracherkennung. Eines Tages zieht die Leiterin der Produktion Projektmitarbeiter ab, da ein großer Auftrag vorliegt. Ihre Kollegin aus dem Marketing fragt sie: „Willst du wirklich, dass wir das Kerngeschäft vernachlässigen, um an einer Idee mitzuarbeiten, die momentan noch nicht viel mehr als ein Luftschloss ist?“ Keine Frage: Das Projekt ist intern umstritten. Viele Kollegen halten es für absurd, im eigenen Haus an einer Erfindung zu arbeiten, die das Kerngeschäft von Subito – die Herstellung von Computertastaturen – überflüssig machen könnte. Gleichwohl hatte das Projekt von Anfang an die Unterstützung des Geschäftsführers. Dennoch bekommt das Projektteam von außen keinen Support und wird gelegentlich von Kollegen sogar angefeindet. Alles in allem: Es hakt bei der internen Verankerung des Projekts. Schließlich wollen die Projektleiter lieber die Reißleine ziehen und schlagen vor, das Projekt „Tweety“ in ein Spin-off auszulagern. Der Geschäftsführer versteht zwar die geschilderte Problematik, ist am Ende aber gegen eine Abspaltung. Er bezweifelt, dass die Projektmitarbeiter extern effizienter arbeiten als mit der Unterstützung des ganzen Hauses. Außerdem hat er die Sorge, dass Subito durch eine mögliche Abspaltung von „Tweety“ zukünftige Ansprüche verliert. Er habe schon von mancher Ausgründung gehört, die am Ende lieber auf eigene Rechnung gewirtschaftet hat.

Die Fragen, die der Harvard Business Manager mit diesem Fall verbindet, lauten: „Hat die Projektleiterin Recht, wenn sie das Innovationsprojekt vom Mutterhaus abtrennen will? Oder scheitert ‚Tweety‘ allein an schlechter Organisation?“

Der Normalzustand: Allen sitzt das Hemd näher als die Jacke

Die Situation der Firma Subito ist aus meiner langjährigen Erfahrung ein ganz normales tägliches Problem der Praxis. Das Bessere ist immer der Feind des Guten, wie auch nicht selten das Neue der Feind des Alten ist. Ein Produkt oder eine Organisation wird immer durch neue Innovationen in Frage gestellt – wenn nicht ganz, so doch zumindest in Teilen. Und genau aus diesem Grund muss die „Tweety“-Sache zum Wohle der Firma Subito grundlegend gelöst werden. Eine vollständige oder teilweise Abtrennung des Innovationsprojekts vom Mutterhaus mag zwar das Problem „Tweety“ lösen, ändert an dem grundlegenden Problem von Subito aber nichts. Denn: Was die Organisation bei Auslagerung von „Tweety“ lernt, ist, dass ihr Beharrungsvermögen gegen notwendige Veränderungen belohnt wird. Der „Störenfried“ ist erst einmal weg – und alle können weitermachen wie bisher.

Der Normalzustand: Widerstreitende Interessen der Unternehmensbereiche

Der Normalzustand: Widerstreitende Interessen der Unternehmensbereiche

In Unternehmen gehört es zum Normalzustand, wenn die Protagonisten der unterschiedlichen Abteilungen ihre je eigene Sichtweise haben und ihre eigenen Interessen verfolgen. Der Vertrieb hat seine wichtigsten Kunden im Auge, der Produktmanager kümmert sich vor allem um seine Cash-cows, die F&E-Ingenieure entwickeln ihr neuestes „Baby“. Alles soweit verständlich und wie gesagt „normal“. Problem ist nur: Es verbleiben keine Ressourcen für weitere innovative Projekte, die außerhalb der aktuellen operativen Agenda liegen; Projekte, die in absolutes Neuland vorstoßen. In einer empirischen Studie zeigt Birgit Stelzer, Institut für Technologie- und Prozessmanagement an der Universität Ulm, dass technologische Kompetenz einen Einfluss auf den Innovationserfolg und schließlich auf den nachhaltigen Wettbewerbsvorteil hat (siehe meinen Beitrag „Technologische Kompetenz schafft Wettbewerbsvorteil (Teil 1/2)”). Dabei spielt das Verhalten des oberen Managements eine wichtige Rolle – und nicht allein finanzielle, strukturelle und personelle Ressourcen. Silicon Valley ist bestimmt ein gutes Beispiel hierfür.

Die Lösung: Projekte wirksam implementieren, führen und messen

Was ist im konkreten Fall zu tun? Meiner Meinung nach beginnt es mit dem oberen Management. Es reicht nicht, das Innovationsprojekt „Tweety“ nur wertzuschätzen. Das bedeutete, sich als Management im Wesentlichen so zu verhalten, wie die Mitarbeiter in den einzelnen Funktionen. Das Management bekundet seine Unterstützung, überlässt das Projekt in der täglichen Arbeit aber seinem internen Schicksal. Und ist dann überrascht, wenn es von Widerständen in der Organisation hört. Um sie zu verhindern, muss neben dem Commitment der Unternehmensleitung durch kontinuierliche interne Kommunikation die Unterstützung der gesamten Organisation sichergestellt werden.

Was darüber hinaus Innovationsprojekte wie „Tweety“ angeht, so ist die Balance zu halten zwischen evolutionären und revolutionären Themen. Die evolutionären Themen sind wichtig, da sie notwendige Weiterentwicklungen bereits bestehender oder artverwandter Produkte (oder Dienstleistungen) darstellen und damit kurzfristig den Unternehmenserfolg finanzieren. Es darf also nicht der Eindruck im Unternehmen aufkommen, für das noch ungewisse „Neue“ lasse man die angestammten Leistungen kurzerhand sausen oder kümmere sich jedenfalls nicht mehr so recht um sie. Die revolutionären Themen sind ebenfalls überlebenswichtig, da sie die Basis für die nächsten Produktgenerationen bilden. Die Unternehmensleitung muss deutlich machen, dass Innovationen überlebenswichtig sind und daher Herkömmliches immer wieder in Frage gestellt werden muss.

Schwierige Balance: Evolutionäre vs. revolutionäre Themen

Unverzichtbare Balance: Evolutionäre vs. revolutionäre Themen

Im vorliegenden Fall ist auch ein weiterer Managementaspekt zu beachten: Die Verantwortung in die Hände der beiden Projektleiter zu übergeben – ohne die dafür notwendigen Entscheidungskompetenzen –, ist nicht nur nicht fair, sondern bringt auch erkennbar den Projekterfolg in Gefahr.

Operativ muss das Projekt „Tweety“ in adäquaten Zeitintervallen überprüft werden. Die aus meiner Sicht wichtigste Kenngröße hierbei ist: Zu erwartender Profit (z.B. erste zwei Jahre) bezogen auf die noch aufzubringende erfolgskritische Ressource (Entwicklungsstunden; nähere Einzelheiten dazu in meinem Beitrag „Wie Innovationen gelingen können (Teil 2)“). Dadurch wird sichergestellt, dass Projekte nicht kurz vor Markteinführung – und somit der Rückzahlung – angehalten werden. Gleichzeitig führen aber veränderte Marktgegebenheiten auch zum Stopp eines sich anbahnenden unprofitablen Produkts.

Conclusio: Eine Verlagerung des Innovationsprojekts „Tweety“ nach außen führt zu enorm hohem Steuerungsaufwand. Da die Firma Subito bisher gezeigt hat, dass sie intern mit dem Thema überfordert ist, wird eine Verlagerung die hausinternen Probleme nur verschlimmern.

Ein Gedanke zu „Wie kommt das Neue in die Unternehmen? – Innovationsprojekte richtig managen

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