Innovationserfolg, F&E-Budgets und die Nutzung digitaler Werkzeuge

2013 untersuchte die internationale Strategieberatung Booz & Company (jetzt: Strategy&) in der „Global Innovation 1000“-Studie zum neunten Mal in Folge die Budgets der tausend börsennotierten Unternehmen mit den weltweit höchsten F&E-Ausgaben. Um den Abgleich zwischen F&E-Investitionen und der innovativen Außenwirkung zu leisten, führte Booz & Company wie in den Vorjahren zudem eine Umfrage unter knapp 400 internationalen Führungskräften aus den forschungsintensivsten Branchen durch und identifizierte so global gültige Innovationstrends sowie die nach deren Einschätzung weltweit zehn innovativsten Unternehmen. Vergleicht man diese mit den TOP 10 bei den F&E-Ausgaben, gibt es auffallende Unterschiede. So sind von den zehn Unternehmen mit den höchsten F&E-Budgets allein fünf Pharma-Unternehmen. Keines von diesen gehört aber zu den zehn innovativsten Unternehmen. Auch die beiden großen Automobilhersteller Volkswagen (Platz 1 im F&E-Ranking) und Toyota (6) schaffen es nicht unter die ersten zehn der innovativsten Unternehmen. Überhaupt werden lediglich zwei Unternehmen, die global zu den TOP 10 bei den F&E-Ausgaben gehören, auch zu den innovativsten Unternehmen gezählt: Samsung und Microsoft.

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Die zehn weltweit innovativsten Unternehmen im Vergleich zu den TOP 10 bei den F&E-Ausgaben (Quelle: Booz & Company)

Zum neunten Mal in Folge konnte Booz keine Korrelation feststellen zwischen (a) der Summe, die ein Unternehmen in Forschung & Entwicklung investiert und (b) der finanziellen Performance. „It has been proven time and time again that you can’t buy your way to the top. When it comes to innovation, how you spend is much more important than how much you spend”, so Barry Jaruzelski, Senior Partner bei Booz & Company. Die Untersuchungen belegen durchgängig, dass Innovationsinvestments in bestimmte Fähigkeiten, Werkzeuge, Talente und eine unterstützende Unternehmenskultur – all dass eng angepasst an die Unternehmensstrategie – den nachhaltigen Erfolg bestimmen. Allein große F&E-Budgets reichen nicht. So schneiden zum vierten Mal in Folge die zehn innovativsten Unternehmen bei wichtigen finanziellen Kennzahlen, wie dem Umsatzwachstum, der EBITDA-Marge und dem Wachstum der Marktkapitalisierung, besser ab, als die zehn Unternehmen mit den höchsten F&E-Ausgaben.

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Finanzkennzahlen der zehn innovativsten Unternehmen vs. TOP 10 F&E-Investoren (Quelle Booz & Company)

„Not only do the largest spenders fail to perform better than the most innovative companies, they also lag behind the average of their industry peers on the Global Innovation 1000 list on both revenue growth and market cap growth”, ergänzt John Loehr, Partner bei Booz & Company, hierzu.

Nutzung digitaler Werkzeuge: keine Korrelation zwischen Anwendungshäufigkeit und Effektivität

In der aktuellen Studie hat Booz auch die Nutzung digitaler Werkzeuge bei 350 Unternehmen weltweit untersucht. Solche Werkzeuge kommen in allen Phasen des Innovationsprozesses zum Einsatz: um „Customer Insights” zu sammeln und zu analysieren, Ideen zu generieren und zu prüfen, bei der Entwicklung und Herstellung neuer Produkte und schließlich bei der Erfolgskontrolle nach der Produkteinführung. Zwei Arten von digitalen Werkzeugen werden unterschieden:

  1. Produktivitätswerkzeuge (Productivity Enabler; PE-Werkzeuge). PE-Werkzeuge, wie beispielsweise Projektmanagement-Tools oder CAD-Software, sind bei vielen Unternehmen schon seit langem im Einsatz, wenn es darum geht, die Effizienz des Innovationsprozesses zu steigern – vor allem während der Entwicklungsphase. Diese Werkzeuge werden breit genutzt und gelten als effektiv.
  2. Werkzeuge, die helfen, Einsichten in Markt- und Kundenbedürfnisse zu erhalten (Market and Customer Insight Enabler; MCIE-Werkzeuge). MCIE-Werkzeuge, wie etwa Customer Immersion Labs oder Big-Data-Tools, sind erst so langsam im Kommen oder erreichen erst jetzt die nötige Marktreife. Sie helfen Unternehmen – vor allem am Beginn des Innovationsprozesses – dabei, ein besseres und tieferes Verständnis davon zu bekommen, was der Markt will, was die Kunden erwarten. Diese Werkzeuge sind bisher noch nicht großflächig im Einsatz; Unternehmen sind zudem der Ansicht, dass ihre Effektivität stark variiert. Zugleich haben diese Instrumente aber das Potential, Innovationsprozesse in Unternehmen dauerhaft zu verändern.

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Nutzung und Effektivität digitaler Werkzeuge in den Phasen des Innovationsprozesses (Quelle: Booz & Company) [Interaktive Version]

Die Untersuchung von Booz hat gezeigt, dass die Anwendungshäufigkeit (s. Größe der Kreise) und die Effektivität der einzelnen Werkzeuge (s. Platzierung der Kreise auf der Skala) keineswegs korrelieren. Einige stark genutzte Produktivitätswerkzeuge sind nicht besonders wirkungsvoll, während sich einige wenig genutzte MCIE-Werkzeuge als höchst effektiv erwiesen haben (bspw. Customer Immersion Labs). Zu den effektivsten Werkzeugen gehören 3D-Drucker für das Prototyping in der Ideenbildungsphase des Innovationsprozesses (zu 3D-Druckern siehe meinen früheren Beitrag). „There are many digital enablers out there. Productivity enablers have become must-haves in any innovator’s digital tool kit. More and more companies are starting to use newer market and customer insight enablers to create better and more inventive products”, erläutert dazu Barry Jaruzelski. Unternehmen nutzen in der Regel eine Mischung aus bewährten PE- und MCIE-Werkzeugen. Welche Werkzeuge jeweils eingesetzt werden und welcher Mix der beste ist, hängt von der Branche, den eigenen Produkten und Services, den Fähigkeiten und dem Innovationsmodell (dazu weiter unten) ab.

Investitionen in digitale Werkzeuge zahlen sich wirtschaftlich aus

Laut Befragung fließen durchschnittlich 8,1 Prozent der F&E-Investitionen in digitale Werkzeuge – von der altbewährten Projektmanagement-Software bis zu den neuesten Crowdsourcing– und Collaborative Design-Tools, digitale Prozessabläufe, 3D-Drucker für das Prototyping, Big Data-Anwendungen oder Social Voting-Plattformen für ein besseres Kundenverständnis. Übertragen auf die Unternehmen der Global Innovation 1000 sind das 52 Milliarden US-Dollar. Diese Investitionen zahlen sich offensichtlich aus.

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Finanzielle Outperformance nach Nutzungsgrad digitaler Werkzeuge (Quelle: Booz & Company)

Zwar sagen weniger als die Hälfte der Befragten, ihr Unternehmen nutze digitale Werkzeuge in signifikantem Umfang; aber die, die es tun, berichten mit einer um 77 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit davon, sie überflügelten ihre Wettbewerber in finanzieller Hinsicht – verglichen mit den Unternehmen, die sich einen geringeren oder moderaten Gebrauch digitaler Werkzeuge attestieren. „With all the talk out there about digital enablers, more companies should be making significant use of them. It’s good news for innovation that some companies have found the tools that contribute to higher performance – the rest should follow their lead”, empfiehlt daher Richard Holman, Partner bei Booz & Company.

Gebrauch digitaler Werkzeuge je nach Innovationsmodell unterschiedlich

Der Gebrauch digitaler Werkzeuge unterscheidet sich auch, je nachdem welchem Innovationsmodell die jeweiligen Unternehmen zuzuordnen sind. Booz & Company unterscheidet drei Innovationsmodelle:

  • „Need Seekers”: Ihr Ziel ist es, First Mover zu sein. Sie binden Kunden aktiv ein, um deren Bedürfnisse zu ermitteln und neue Innovationen zu gestalten. Diese entwickeln sie „marked back”, ausgehend von der Identifikation der Marktbedürfnisse (Beispiele: Apple, Procter & Gamble).
  • „Market Readers”: Bedienen sich einer Second Mover-Strategie mit dem Fokus auf Wertsteigerungen durch schrittweise Verbesserungen. Innovationen entwickeln sie ebenfalls „marked back”, allerdings weniger aktiv als die „Need Seekers” (Beispiele: Samsung, Caterpillar).
  • „Technology Drivers”: Treiben Innovation durch technologische Errungenschaften. Technologie nutzen sie für sowohl schrittweise wie bahnbrechende Veränderungen. Was den direkten Kontakt zu Kunden angeht, verfolgen die „Technology Driver” die am wenigsten aktive Strategie (Beispiele: Google, Bosch).

Nicht nur verfügen die „Need Seekers” über den höchsten Grad an Angleichung zwischen Innovations- und Geschäftsstrategie sowie eine Unternehmenskultur, die die Innovationsstrategie unterstützt – sie können als weiteren Vorteil die intensive Nutzung digitaler Werkzeuge für das Innovationsmanagement für sich verbuchen.

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Signifikante Nutzung digitaler Werkzeuge nach Innovationsmodell (Quelle: Booz & Company)

62 Prozent der „Need Seekers” nutzen diese Werkzeuge in signifikantem Maße, dagegen tun dies nur 48 Prozent der „Technology Drivers” und lediglich 25 Prozent der „Market Readers”. Und: Von diesen „Need Seekers” geben nahezu 60 Prozent an, sie ließen ihre Wettbewerber bei den Finanzkennzahlen hinter sich.

Conclusio

Alles in allem zeigt die Studie von Booz & Company, dass Innovationserfolg – und daran anknüpfend letztlich auch finanzielle Performance – weniger eine Frage des großen Geldes ist, sondern mehr wie die vorhandenen Mittel intelligent eingesetzt werden. Digitale Werkzeuge sind dabei nur ein Teil des Instrumentenkastens, aber offensichtlich einer mit wachsender Bedeutung. Weitere Aspekte, wie beispielsweise eine innovationsfreundliche Unternehmenskultur und die reibungslose Passung zwischen Innovationsstrategie und Unternehmensstrategie müssen hinzutreten, um auf der „road to innovation” erfolgreich unterwegs zu sein.

Ein Gedanke zu „Innovationserfolg, F&E-Budgets und die Nutzung digitaler Werkzeuge

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